Marianne Heimbach-Steins über den Umgang mit AfD-Strategien

Gegen rechte Infiltrierung: Abschottung ist keine Migrationspolitik

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Die AfD versteht es, mit dem wichtigen Thema Migration Angst und Hass zu schüren. Rechtsextreme setzen viel daran, die Meinungsführung zu übernehmen. Das ist gefährlich, sagt Marianne Heimbach-Steins. Auch, weil sich sogar EU-Politik davon beeinflussen lässt. 

Björn Höcke wollte das Unschuldslamm geben: Auf die von ihm selbst propagierte ethno-nationale Forderung nach „Remigration“ angesprochen, erklärte er, es gehe ihm „vor allem um die deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland leben“. Kein Grund zur Aufregung also?

„Rückwanderung (oder Remigration) bezeichnet die Rückkehr von Migrantinnen und Migranten in ihr Herkunftsland beziehungsweise an den Ausgangsort ihrer Migration“, erläutert Migrationsforscher Jochen Oltmer. Der Begriff bezeichnet historische wie gegenwärtige Migrationsentscheidungen aus unterschiedlichen Motiven und Gründen. 

Die Autorin
Marianne Heimbach-Steins ist Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster.

„Beschönigende Tarnvokabel“

Dass „Remigration“ 2023 als „rechter Kampfbegriff“ und „beschönigende Tarnvokabel“ zum Unwort des Jahres gekürt wurde, reagiert auf die rechtsextreme Kaperung des Fremdwortes (!): Das Recherche-Netzwerk Correctiv hat den „Masterplan“ offengelegt, der bei dem Geheimtreffen rechtsextremer Strippenzieher im November 2023 in Potsdam unter diesem Leitwort beworben wurde: Personen (auch deutsche Staatsbürger), die wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder weil sie nicht „assimiliert“ seien, Ethno-Nationalisten und Blut-und-Boden-Fanatikern nicht in den Kram passen, sollen aus Deutschland vertrieben werden. Der Identitäre Martin Sellner möchte sie in Afrika ansiedeln. 

Zynisches Konzept

Man schmiedet an einer Strategie, um Meinungsführerschaft zu gewinnen. Die Gesellschaft soll mit Hass infiltriert und die grundgesetzliche demokratische Ordnung diskreditiert werden. Dass AfD-Abgeordnete das zynische Konzept – es erinnert an Deportationspläne aus dem Jahr 1940 – auch für sich und ihre Partei reklamieren, ist belegt. 

Die rassistische Ideologie ist weder mit dem Bekenntnis zur unantastbaren Menschenwürde des Grundgesetzes noch mit einem „jüdisch-christlichen“ Wertekanon oder dem Menschenbild der Aufklärung, auf das sich die AfD gerne beruft, vereinbar. In ihrem gemeinsamen Wort „Migration menschenwürdig gestalten“ (2021) warnen die Kirchen davor, die Steigerung von Ausreise- oder Abschiebungszahlen an sich als erstrebenswertes politisches Ziel zu behandeln.

Auch unter dem Druck erstarkender rechter Bewegungen wächst die Tendenz, Migrationspolitik zunehmend einer Logik der Abschottung zu unterwerfen – auch in der jüngst verabschiedeten Gemeinsamen Europäischen Asylstrategie. Die Gretchenfrage der offenen, demokratischen Gesellschaft lautet: „Wie hältst Du‘s mit der Migration?“

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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